SRHE Wales

Diese Woche stelle ich ein aktuelles Projekt in Wales vor, an dem ich gerade arbeite — auf der Society of Research in Higher Education Conference 2016 (SRHE 2016). Mein Beitrag trägt den Titel Framing Educational Design Research: Abductive reasoning and the design of theory. Er ist einem der wissenschaftstheoretischen  Panels zugeordnet.

Konkret befasse ich mich damit, wie sich der Educational Design Research-Ansatz (EDeR) zur Frage der Theorie-Entwicklung verhält. EDeR folgt ja als bildungswissenschaftlicher Ansatz einer pragmatischen Forschungsmethodologie, die auf die Lösung konkreter situativer (bspw. didaktischer) Problemstellungen ausgerichtet ist. Zugleich soll durch die für bildungspraktische Probleme entwickelten Löseverfahren auch ein theoretischer Beitrag in Form von generalisiertem Wissen entstehen, indem das entstandene Lösungsmuster zu kontextübergreifenden „domain theories“, „design frameworks“ oder „design methodologies“ verallgemeinert wird (bspw. Edelson, 2002, p. 117).

Aus einer wissenschaftstheoretischen Sicht hat man sich, soweit ich sehe, bisher noch wenig mit der Frage auseinandergesetzt, wie man sich diesen Akt der Wissensgenese im EDeR-Prozess konkret vorstellen kann. Wichtige Bezugstexte dafür sind m.E. unter anderem McKenney und Reeves (2012), Euler (2014), Sandoval (2014) und Reinmann (2014).

Ich untersuche in meinem Beitrag für die Tagung das Konzept des abduktiven Schließens im Anschluss an den US-amerikanischen Pragmatismus (bspw. Peirce, 1903), anhand dessen man erklären kann, wie Hypothesen entwickelt und explorativ ausgewertet werden.

Abduktionen bieten eine wissenschaftstheoretische Alternative zur Ableitung und Validierung von Hypothesen durch (vorrangig) deskriptive Studien oder normative Beiträge. Als ein logisches Schlussverfahren eignen sie sich besonders für design-basierte Forschungsprozesse, für die die klassische wissenschaftstheoretische Zweiteilung von wissenschaftlicher Tätigkeit als (a) Auffindung theoretischer Hypothesen versus (b) deren Überprüfung nicht mehr passgenau scheint (z.B. Popper, 1935, Abschn. 1.3).

Wie funktionieren Abduktionen? — Im Rahmen abduktiver Schlussverfahren werden Erklärungen abgeleitet, die ein bestimmtes beobachtetes Phänomen weder mit Notwendigkeit noch mit Wahrscheinlichkeit erklären, sondern durch den Schluss auf eine mögliche plausible Begründung (auch wenn es noch keine hinreichende empirische Evidenz dafür gibt), welche die Daten am schlüssigsten erläutert.

Peirce (1903, CP 5.171) betont, dass diese Form des Schließens lediglich stets zu vorläufigen Hypothesen führen könne, die im weiteren Verlauf überprüft und getestet werden müssen. Erst dann erhalten sie den Charakter von Wahrscheinlichkeits-Schlüssen. Das „Überprüfen“ und „Testen“ ist in EDeR durch die zyklisch-iterative Anlage des Forschungsprozesses gewährleistet: Im Rahmen eines design-basierten Entwicklungs- oder Gestaltungsprozesses werden stets mehrere Zyklen von Analyse, Design und Evaluation durchlaufen, sodass nach und nach generalisiertes und kontextübergreifendes Wissen entsteht.

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Quelle: McKenney & Reeves, 2012.

Hier kommt EDeR sein spezifisches Entwicklungsinteresse zugute: Anstelle bestehende Theorien zu analysieren, zu validieren oder zu evaluieren — und sie somit in kleinen Schritten fortzuentwickeln — kann der Forschungsbegriff für EDeR anhand des Abduktionskonzepts in Richtung einer iterativen Theorie-Entwicklung aus der Praxis heraus erweitert werden.

Literatur

  • Edelson, D. C. (2002). Design research: what we learn when we engage in design. The Journal of the Learning Sciences, 11 (1), 105-121.
  • Euler, D. (2014). Design-research – a paradigm under development. In D. Euler & P. F. E. Sloane (Hrsg.), Design-Based Research (Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik (Beiheft), Bd. 27, S. 15-41). Stuttgart: Steiner.
  • McKenney, S. E. & Reeves, T. C. (2012). Conducting educational design research. Milton Park, Abingdon, Oxon: Routledge.
  • Peirce, C. S. (1903): Lectures on Pragmatism. In C. Hartshome & P. Weiss (Hrsg.), Collected Papers CP 5.14-5.212. Cambridge/Mass.: Harvard Univ. Press, 1931-35.
  • Popper, K. R. (1935): Logik der Forschung. Tübingen: Mohr.
  • Reinmann, G. (2014). Entwicklungsfrage: Welchen Stellenwert hat die Entwicklung im Kontext von Design Research? Wie wird Entwicklung zu einem wissenschaftlichen Akt? In D. Euler & P. F. E. Sloane (Hrsg.), Design-Based Research (Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik (Beiheft), Bd. 27, S. 63-78). Stuttgart: Steiner.
  • Sandoval, W. (2014). Conjecture mapping. An approach to systematic educational design research. Journal of the Learning Sciences, 23 (1), 18-36.
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