Werkstatt für Wissenschaft
An der Universität Stuttgart gebe ich diese Woche einen Intensivkurs zu „Aufbau, Stilistik, Schreibprozess bei wissenschaftlichen Abschlussarbeiten“. Die Veranstaltung richtet den Fokus auf Prägnanzstrategien, d.h. die Frage, wie man komplexe wissenschaftliche Zusammenhänge so darstellen kann, dass sie verständlich bleiben, ohne den Sinn dabei zu entstellen. Sie ist für fortgeschrittene Studierende und Promovierende aller Fachrichtungen offen und der neuen „Schreibwerkstatt für wissenschaftliches Schreiben“ zugeordnet — die viel mehr ist, als eine „Werkstatt“, wenn man (wie häufig an Unis) darunter ein praxeologisches Workshop-Programm versteht, das unmittelbare Handlungsempfehlungen vermittelt.
Obwohl das nicht der Schwerpunkt ist, ist die Metapher einer „Werkstatt“ trotzdem ziemlich treffend, sofern man sie von dieser engen Bedeutung losgelöst versteht: Häufig hat man in universitären Veranstaltungen ja das Gefühl, dass alles wie in einem Ausstellungshaus ist — man befasst sich im Studium mit fertigen „Werkstücken“, z.B. publizierten Texten, die eine Argumentation oder einen Sachverhalt auf (hoffentlich) ziemlich stimmige und treffende Weise darstellen. Dass der Weg dahin gar nicht so einfach ist, sagt einem dabei nur selten jemand — geschweige denn, welche Strategien es gibt oder nach welchen Leitlinien man vorgehen kann, um selbst solche Texte zu erstellen. In der „Schreibwerkstatt“ soll das nicht nur vermittelt, sondern auch eingeübt werden. Ich befasse mich ja schon eine ganze Weile mit „schreibdidaktischen“ Themen und ich freue mich auf jede der Veranstaltungen. Vielleicht liegt es daran, dass die Zielgruppe so divers ist und ich von den verschiedenen Zugängen und Forschungskonzepten, die die Teilnehmer aus ihren Fächern „mitbringen“ immer wieder neue Einblicke bekomme. Vielleicht aber auch daran, dass man sich gerade durch solche praktischen „hands-on“-Veranstaltungen unmittelbar selbstwirksam fühlt (Gabi Reinmann hat vor Kurzem einen interessanten Beitrag zum Verhältnis von Lehre und Selbstwirksamkeit gepostet). Vielleicht aber auch daran, dass ich in den überfachlichen Veranstaltungen ganz frei in der Gestaltung bin und mich an keinen Modulbeschreibungen oder Lernzielkatalogen orientieren muss: Ich habe zwar inzwischen recht umfangreiches und ziemlich gut sortiertes „Lehrmaterial“ für die einzelnen Schwerpunkte zum wissenschaftlichen Arbeiten und Schreiben entwickelt, und natürlich auch immer einen sogar ziemlich ausgefeilten „Fahrplan“ für die didaktische Gestaltung jeder Sitzung. Häufig sind es aber in der Situativik einer Veranstaltung dann ganz spezifische Problemstellungen, die aus den Textbeiträgen der Studierenden ersichtlich werden, und an denen wir dann länger arbeiten. Es ist für mich immer wieder erstaunlich, wie viel Expertise bei den Studierenden selbst schon vorhanden ist, wenn man solche konkreten Stellen analysiert, sodass ich durchaus über längere Strecken das Plenum „moderiere“, bevor ich meinen eigenen Input (dann meist mit ein paar PowerPoint-Slides verknüpft) bringe. Häufig referiere ich dann auch kurzfristig zu Themen, die ich in meinem Ablaufkonzept gar nicht vorgesehen hatte (oder zumindest nicht an der Stelle) und werfe meinen eigenen Plan in weiten Zügen über den Haufen. Ich habe aber das Gefühl, dass dieses stark „bedarfsorientierte“ Vorgehen (im Sinne einer „agilen Didaktik„) für diese Veranstaltungstypen viel wirksamer und sinnvoller ist, als wenn ich ein starres Konzept abspulen würde. Kann auch sein, dass gerade das es ist, was mir an dieser Art Veranstaltungen so Freude macht: da ist man einfach am nächsten an der Form wissenschaftlicher Tätigkeit dran, und die ist meiner Erfahrung nach (egal in welchem Fach) nie eine triviale oder „planmäßig“ verlaufende Aktivität.
Anna-Maria Wenzel-Elben (eine der Koordinatorinnen der Schreibwerkstatt) erklärt im nachfolgenden Video, was die Ziele und Zielgruppen der Schreibwerkstatt sind: