Lehr-Experiment: e-Didaktik mit Slack?
In unserem Masterprogramm „Master of Higher Education (MoHE)“ habe ich dieses Semester Lehrveranstaltungen in den Modulen 2 (Leitungskompetenz) und 3 (Methodenkompetenz) angeboten. (Zur Kursbeschreibung im Sommersemester 2016…) Die Online-Phase der beiden Kurse ist seit gestern abgeschlossen — Zeit also, mal zurückzublicken, wie es gelaufen ist:
Methodisch sind die beiden Kurse als Blended Learning-Veranstaltungen angelegt, die jeweils ein vergleichsweise hohes Maß an Textarbeit ansetzen, und zwar sowohl vorbereitend, nachbereitend als auch teilweise in die Mittagspausen der Präsenzphasen integriert.
Im ersten Workshoptag wird anhand eines Fragen-Parcours (der die Vorstellungsrunde ersetzt) zum Einstieg an eine Vorab-Aufgabe angeknüpft. Die Sitzung selbst ist dann ein didaktischer Mix aus Impulsreferaten von mir („Lehrenden-Input“), textbasierter und selbstorganisierter Gruppenarbeit, Anleitung/Moderation und interaktivem Plenum. (Die Einteilung der didaktischen Aktivitätsmuster habe ich von Gabi Reinmann übernommen.)
Es folgen eine einwöchige Online-Phase und anschließend ein zweiter Workshoptag, an den eine Nachbereitungsaufgabe zur Studienleistung anschließt (s. Grafik, die den Aufbau des Didaktik-Kurses zeigt).
Für die technische Umsetzung hab ich dieses Mal etwas Neues ausprobiert: Nachdem ich letztes Semester im Rahmen der Blogfarm unseres Universitätskollegs WordPress (in Kombination mit einem Foren-Plugin) als Austauschplattform für geschlossene Online-Kommunikation eingesetzt habe, wollte ich dieses Mal mit dem Teamkommunikations-Tool Slack arbeiten. Das Tool bietet vielfältige Möglichkeiten zum kollaborativen Arbeiten und zum synchronen Austausch. Grundlage ist eine webbasierte Instant-Messaging-Funktion, durch vielfältige Integrationen lässt sich der Dienst aber in sehr breitem Umfang nutzen.
Ein Potential des Instant-Messaging ist, dass man damit viel kleinteiligeren Austausch über die Seminarinhalte anregen kann und sich so im besten Fall eine Online-Diskussion über die Kursthemen entwickelt. Slack lässt sich auf praktisch allen mobilen Endgeräten betreiben, sodass die Studierenden auch mit Smartphones, Tablets etc. beitragen können. Das birgt das Risiko, dass auch mal nur flüchtig gearbeitet wird und man eher auch mal nur „nebenbei“ an einer Aufgabe arbeitet, es bietet aber m.E. auch das Potential, über einen längeren Zeitraum (hier: eine Woche) einen Austausch hinzubekommen, der sogar vertiefter sein kann als bspw. eine Online-Aufgabe, bei der durch jeden Studierenden ein längerer (ausgefeilter) Textbeitrag eingereicht wird, der anschließend mit einem einzelnen längeren Feedback versehen wird. (Oft entwickelt sich aus solchen Formaten ja keine richtige Diskussion…)
Die Online-Diskussion hat im Fall des Didaktik-Kurses ziemlich gut geklappt (im anderen Kurs war die Teilnehmerzahl deutlich kleiner, bei mehr Teilnehmenden funktioniert das natürlich besser…). Zunächst hatte ich Bedenken, dass sich der Austausch in eine (zu) kolloquiale Richtung entwickeln könnte; das ließ sich dann aber durch ein wenig Moderation und eine entsprechend formulierte Aufgabenstellung (s.u.) ganz gut steuern.
Mit meiner Konzeption des Kurses hatte ich ca. 8 Arbeitseinheiten für die Online-Phase zwischen den Präsenzterminen angesetzt und eine relativ „offene“ Struktur für den Online-Austausch der Nachbereitung, die gleichzeitig mit der Studienleistung verknüpft war. In der ersten Online-Diskussion (im Gruppen-Chat in einem eigenen Slack-Channels) bestand die Aufgabe darin, einen zuvor gelesenen Textbeitrag anhand eines Exzerpts zusammenzufassen, und zwar mithilfe eines Posts. (Damit erscheint der Beitrag im Chat, man kann aber direkt an dem Post Kommentare einfügen, sodass die Darstellung übersichtlich bleibt: Feedbacks sind dann unmittelbar einem Post zugeordnet.)
Die Diskussion dazu lässt sich dann im Channel wieder weiterführen, wobei auch andere sich einklinken können. Die zweite Präsenzsitzung hat an die Diskussion unmittelbar angeknüpft und diese in einer Face-to-face-Interaktion nochmals auf eine andere Ebene gebracht.
Anhand der Arbeitsanweisung für die Online-Aufgabe war sichergestellt, dass jede/r Teilnehmer/in (a) den zur Diskussion stehenden Beitrag liest, (b) Kernaspekte des Beitrags reformuliert und (c) man anhand der Auseinandersetzung mit den Beiträgen anderer weitere Aspekte des Texts erschließt. Damit war die „Vorarbeit“ für die Online-Diskussion formal relativ stark vorstrukturiert (s. Aufgabenstellung), während die inhaltlich-thematische Schwerpunktlegung frei wählbar war. Das war der Diskussion über den Text m.E. sehr zuträglich: es hat sich über die Woche hinweg ein ziemlich vielschichtiger Austausch entwickelt, den man in einer „zentralen“ Diskussion, bei der alle am Tisch sitzen und sich eine Stunde lang über eine Lektüre verständigen, so nicht hinbekommt. (Zumal Rede-Beiträge in Präsenzveranstaltungen ja sequentiell ablaufen, während Diskussionen über Chats auch simultan funktionieren können, sofern die Plattform eine Zuordnung zu den Beiträgen zulässt…)
Ich bin weitgehend als „moderierende Instanz“ im Chat aufgetreten und habe nur an einzelnen Stellen interveniert, wenn ich gemerkt habe, dass sich eine Person kaum/nur sporadisch beteiligt (meist, indem ich das Personal-Messaging genutzt habe, um die Person darauf hinzuweisen, sich doch ein wenig stärker einzubringen). Das war aber selten nötig.
Mir ist aber klar, dass das Konzept so nicht mit allen Studierenden funktionieren wird. Sicher haben wir durch die spezielle Zielgruppe des „MoHE“, der ja ein berufsbegleitender konsekutiver Studiengang ist, einen Sonderfall: Die Studierenden sind als Hochschullehrende relativ fortgeschritten (viele sind bereits promoviert oder stehen vor dem Abschluss ihrer Promotion, manche sind bereits habilitiert) und zudem intrinsisch motiviert, da sie sich mit dem Ziel eingeschrieben haben, ihre eigene Lehre zu professionalisieren. Aber ich denke, dass es sich lohnen kann, ein solches, eher „offenes“ Format für die Online-Phase in Verbindung mit einer ständigen Moderation auch für andere Studienformate der Erwachsenenbildung mal auszuprobieren.
Aus meiner Sicht ist das Experiment, Slack in dieser Form für ein didaktisches Setting einzusetzen, ganz gut aufgegangen. Sicher kann man an der einen oder anderen konzeptionellen Schraube noch drehen. Aber im Grundsatz halte ich das Tool zusammen mit dem Mix aus strukturierter, textbasierter Aufgabenstellung, Moderation und thematisch weitgehend „offener“ Diskussion für eine sehr gute Form, um am wissenschaftlichen Diskurs orientierte und lektüreintensive Lehrveranstaltungen mit einem lebhaften und thematisch vielschichtigen e-Austausch zu verknüpfen.
Aufgabenstellung für die Online-Phase 1
(zwischen den Präsenzworkshops)
Im Channel #online-aufgabe findet Ihr nun:
- den Beitrag von Ludwig Huber zur Hochschuldidaktik als Weiterentwicklung der Hochschulpädagogik;
- Huber, L. (1983). Hochschuldidaktik als Theorie der Bildung und Ausbildung. In L. Huber (Ed.), Handbuch und Lexikon der Erziehung: Vol. 10. Ausbildung und Sozialisation in der Hochschule (pp. 114–138). Stuttgart: Klett-Cotta
- eine Begriffsbestimmung der Hochschuldidaktik anhand eines Links, den Germo gepostet hat.
Aufgaben:
- Lektüre: Lest beide Beiträge. Plant für die Lektüre (inkl. Notizen) insgesamt ca. 2 Stunden ein.
- Fragen: Stellt ggf. Verständnisfragen im Chat (jeder, der die Texte bereits gelesen hat, kann darauf antworten).
- Exzerpt: Erstellt anhand eines Posts ein knappes Exzerpt zu Hubers Aufsatz, in dem Ihr in eigenen Worten wiedergebt, was an Kerninformationen daraus für Euch relevant ist. Plant dafür ca. 1,5 Stunden ein.
- Kommentar: Geht anschließend auf das Exzerpt eines beliebigen anderen Teilnehmers ein, indem Ihr anhand der Kommentarfunktion für den Post auf einen Aspekt Eurer Wahl Bezug nehmt, der im Text angesprochen wurde. (Bspw. anhand einer provokativen These, einer Frage, einer Bemerkung etc.) Plant für die Lektüre und eure Bezugnahme insgesamt ca. 1,5 Stunden ein.
- Replik: Äußert euch zu zumindest einem Kommentar zu eurem Exzerpt, indem Ihr Euch mit den dort angesprochenen Punkten im Chat auseinandersetzt. Plant für die Replik ca. 1 Stunde ein. Ihr könnt Personen im Chat mithilfe des @-Symbols direkt ansprechen…
- Diskussion: Sofern es das Thema zulässt, setzt die Diskussion anhand weiterer Beiträge fort oder beteiligt Euch an einer beliebigen anderen Diskussion im Chat. Hier seid Ihr in der Gestaltung frei. (Ca. 2 Stunden für das Lesen des Chatverlaufs und die Beteiligung daran.)
Hinweis:
Bitte nutzt nur den öffentlichen Teil des Chats für die o.g. Punkte; Direkt-Nachrichten sind natürlich zusätzlich möglich, sie sind aber als „privat messages“ für die anderen Teilnehmer nicht einsehbar. Daher zählt für die Studienleistung nur, was im öffentlichen Teil des Chats geschrieben wird…
Aufgabenstellung für die Online-Phase 2
(im Anschluss an den letzten Präsenzworkshop)
Lest den Beitrag von Wildt, der an unsere Seminardiskussion der ersten Präsenzsitzung anknüpft, ob neben einer fachbezogenen eine fachübergreifende Hochschuldidaktik notwendig ist.
Als ergänzende Beiträge findet Ihr unten zwei neuere Texte von Gabi Reinmann, die sich mit der Gegenstandsbestimmung und Positionierung der Hochschuldidaktik (als eigenständiger Forschungsdisziplin) befasst.
Führt anhand des Wildt-Texts die Diskussion aus dem Seminar fort, indem Ihr die Frage reflektiert, was eine Hochschuldidaktikforschung leisten sollte und welche Rolle einer möglichen Forschungsorientierung für Eure Professionalisierung in der Doppelrolle als (a) Hochschullehrende und (b) MoHE-Studierende zukommt.
Mit der (regen) Beteiligung an der Online-Diskussion ist die Studienleistung abgedeckt. Ihr habt drei Wochen Zeit, die Ihr möglichst so nutzen solltet, dass Ihr in dieser Zeit immer wieder hier im Chat vorbeischaut, die geposteten Informationen verfolgt und Euch mit zu Wort meldet.
Frist für den letzten Beitrag zur Diskussion: 22.05.2016
(Bitte achtet aber darauf, nicht erst in den letzten Tagen vor Ende der Deadline etwas beizutragen – es ist wie gesagt eine kontinuierliche Auseinandersetzung über einen längeren Zeitraum hinweg vorgesehen…)
Gabi Reinmann
Lieber Tobias,
danke für die ausführliche Darstellung, die einen guten Einblick in dein Konzept gibt. Mich interessiert noch: Wo genau siehst du den Mehrwert zum Blog? Posts, Kommentare und Rekommentare laufen im Blog auch und wenn ich das richtig verstanden habe, ging es doch vorrangig um ein asynchrones Arbeiten.
Tobias Schmohl
Ja, genau. Der Vorteil ist m.E., dass Slack ja auf einem Instant-Messaging-Gedanken aufsetzt. Damit wird viel niedrigschwelligere Kommunikation möglich: Das bedeutet, es sind häufig auch mal nur recht kurze Wortbeiträge über eine Zeile möglich, viel schnellere Kommunikation, die m.E. einer Diskussion viel näher kommt als der Austausch in einem Blog, der eher etwas von einem „Reviewing“ hat. Diese „schnelle“ Kommunikation ist als Ergänzung zu der eher ‚klassischen‘ Einreichung längerer Textbeiträge und Kommentare m.E. sehr bereichernd, erfordert aber natürlich auch eine aufwändigere Moderation.
Ein weiterer Vorteil ist in der technischen Realisierung, bspw., dass Textbeiträge, auf die Bezug genommen wird, direkt von allen Diskutanten in Slack hinterlegt werden können, diese Funktion besteht ohne Weiteres für Kommentierende in einem Blog nicht. Durch die Sortierung mit verschiedenen Channels und der Zuordnung von Kommentaren zu „Posts“ bleibt die Diskussion thematisch strukturiert und auch optisch noch übersichtlich gegliedert…