Wissenschaftskommunikation

Vorgestern war ein lesenswerter Beitrag in der FAZ von Jochen Hörisch, der an die aktuelle Diskussion um die Exzellenzinitiative anschließt und die diskursive, rhetorische Systemlogik darin kritisch, aber durchaus treffend ins Visier nimmt.

Mich hat Hörischs Text auf mehreren Ebenen angesprochen:

Zunächst ist die Art und Weise, wie er sich dem Thema nähert, von einem Interesse an der rhetorischen Funktionalisierung geprägt: Hörisch analysiert die Kommunikation über die Exzellenzinitiative und stellt einen performativen Widerspruch fest, also einen Widerspruch zwischen dem, was im Rahmen der Kommunikation offen mitgeteilt wird (d.h. dem ‚propositionalen Gehalt‘) und dem, was der Vollzug dieser Äußerungen impliziert.

„Irritierend ist, dass solche kritischen Reden weit verbreitet sind, aber nur im Ausnahmefall öffentlich vorgetragen werden.“

Hörisch geht es allgemein formuliert darum, wie im Wissenschaftssystem kommuniziert wird und er beschreibt verschiedene Symptome eines Kommunikationsproblems. Dieses Problem ist u.a. im Kontext einer aktuellen Debatte zu sehen: Im Anschluss an Bernhard Pörksens vorsichtige Frage in der ZEIT, warum sich Wissenschaftler in den gesellschaftlichen Debatten heute kaum mehr zu Wort melden, hatte sich bekanntlich schon vor einem knappen Jahr eine Kontroverse entzündet, um die es inzwischen (leider) wieder fast gespenstisch ruhig geworden ist… Hörisch bringt nun mit seiner Analyse der rhetorischen Kommunikation im Wissenschaftssektor einen neuen Impuls in diese Diskussion ein: Während zwar hinter vorgehaltener Hand häufig kritische Stimmen (speziell zur Exzellenzinitiative) laut werden, handeln alle weiter entsprechend der Pfadabhängigkeiten, die aus den Problemen resultieren, die sie kritiseren.

Konkret: Wir ärgern uns zwar darüber, wie reguliert und formalisiert die Arbeit in der Wissenschaft geworden ist, setzen uns aber doch wieder in Gremien, nehmen Verwaltungsaufgaben an und investieren einen Großteil unserer Zeit für Antragsstellung und Drittmittelakquise. Wir hinterfragen zwar im Grunde die Logiken von Akkreditierungsagenturen und Gutachterkreisen, beugen uns dann aber doch wieder kleinlaut deren Diktat. Wir schauen verächlich auf das „buzzword bingo“, das in allen gehypten Abstracts gespielt wird, bedienen uns aber demselben Duktus, wenn es um die Außendarstellung eines eigenen Forschungsvorhabens geht:

„[Derlei] lästerliche Reden sind der Normalfall. Und das gerade auch bei denen, die wissen, wovon sie sprechen, die also Erfahrung mit der Einwerbung von Drittmittelprojekten im Rahmen der Exzellenzinitiative haben. Diesen erfahrungsgesättigten Lästereien widerspricht krass die Antrags-, Vorwort-, Gutachter- und Verlautbarungsprosa über die jeweiligen Projekte. Eine schizoide Kommunikation aber kann nicht die regulative Idee akademischer Kommunikation sein.“

Der Problemanalyse Hörischs kann ich nur zustimmen. Dass es gerade im Bereich der Wissenschaftskommunikation auch eine strategische Dimension gibt, die immer bedeutender wird, lässt sich auch kaum leugnen. Die Frage ist für mich, was ich konkret tun kann. Ich bin ein kleines wissenschaftliches Zahnrädchen in einem großen Verwaltungs- und bildungspolitischen Regulationsapparat — da mache ich mir nichts vor. Aber Defätismus ist auch keine Lösung, oder?

Vielleicht täte es dem System gut, wenn mehr kritischer Diskurs darüber geführt würde, nach welchen Mechanismen Wissenschaftskommunikation funktioniert — als eine Facette der „Kommunikation über konkrete Forschungsergebnisse“, die Hörisch einfordert. Letztlich geht es dann darum, sich mehr und intensiver über Forschung auszutauschen. Das schließt die Kommunikation über die Kommunikation von Wissenschaft mit ein. Vielleicht führt das tatsächlich zumindest was den wissenschafts-kulturellen Diskurs angeht, zurück in die ‚produktiven Ursprünge‘ der 1970er und 1980er. Vielleicht liegen aber dort sogar „inhaltliche“ Anknüpfungspunkte. Erst gerade habe ich einen Aufsatz aus diesem Zeitraum gelesen, in dem Hartmut von Hentig die These vertritt, es bestehe ein „notwendiges Verhältnis zwischen Erkenntnis und Kommunikation“ (von Hentig, 1970, S. 25), genauer: Erkenntnis werde erst dadurch zu Wissenschaft, dass sie mitgeteilt und intersubjektiv verfügbar gemacht wird:

„Wissenschaft läuft […] – durch die Absicht zur lntersubjektivität – auf Kommunikation […] hinaus. Sie ist das Verfahren, durch das ich sichern möchte, daß du siehst, was ich sehe. Die anderen Eigenschaften der Wissenschaft folgen daraus“. (S. 25 f.)

Sie ahnen es schon. Das ist für von Hentig nur die erste Stufe, die seine eigentliche These vorbereitet, es bestehe ein notwendiges Verhältnis von Wissensstruktur („Erkenntnis“) und Lernstruktur („Lernen“).

Für mich also: gleich eine ganze Reihe an weiteren Argumenten für das wissenschaftliche Bloggen! 🙂

Warum bloggen?

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