Gute wissenschaftliche Praxis
Die Formel „gute wissenschaftliche Praxis“ steht in der Hochschulentwicklung für eine kritisch-reflektierte Auseinandersetzung von Forscherinnen und Forschern (insbesondere auch Nachwuchswissenschaftler) mit wissenschaftlichen Qualitätsstandards und Forschungsrichtlinien (s. bspw. die Denkschrift „Sicherung guter wissenschaftlichen Praxis“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG)).
Einige Hochschulen haben in ihren Leitungsgremien eigene einrichtungsspezifische Strategiepapiere verabschiedet, in denen sie festhalten, welchen wissenschaftsethischen Leitlinien sie sich verpflichtet sehen und welche Gütekriterien sie für ihren Forschungsbetrieb anlegen. Unter den Institutionen, die solche „Grundsätze guter wissenschaftlicher Praxis“ formuliert haben, sind bspw. auch die Universitäten Stuttgart und Kassel.
In den Graduiertenprogrammen dieser beiden Hochschulen bin ich seit zwei Semestern als Lehrbeauftragter für dieses Thema tätig. (Hier die Lehrevaluations-Berichte meiner letzten Veranstaltung in Stuttgart und Kassel…) Der Workshop in Stuttgart findet in zwei ganztägigen Einheiten wieder kommenden Montag und Mittwoch statt, weshalb ich gerade auf dem Weg dorthin unterwegs bin. Hier der Link zur Veranstaltungsbeschreibung auf den Seiten des Graduiertenzentrums der Universität Stuttgart (GRADUS).
Die Teilnehmenden dieser Veranstaltung verteilen sich auf alle Promotionsphasen und sind aufgrund unterschiedlicher vorangegangener Studienrichtungen heterogen zusammengesetzt. In der Regel haben alle aber aufgrund eigenständiger oder gemeinsamer Forschungsprojekte schon relativ solide Erfahrungen in der Forschungspraxis des jeweiligen Fachbereichs sowie bei der Entwicklung facheinschlägiger Publikationen.
In meinem zweitägigen Intensivkurs gebe ich zunächst eine Einführung in die Prinzipien und fachübergreifenden Aspekte guter wissenschaftlicher Praxis – besonders in Abgrenzung zu den typischen Fällen beabsichtigten und unbeabsichtigten wissenschaftlichen Fehlverhaltens. Neben einer Diskussion zentraler Leitlinien und Empfehlungen für das wissenschaftliche Arbeiten „lege artis“ arbeiten wir an Konzepten und Praktiken zur redlichen Aufbereitung und Dokumentation von Forschungsresultaten – und zwar in den jeweiligen typischen Handlungsmodi der fachspezifischen Forschungszugänge. Hierzu werden wir Fallbeispiele diskutieren und die relevanten juristischen, wissenschaftsethischen sowie verfahrenspraktischen Aspekte anhand einschlägiger nationaler und internationaler Referenztexte und Verhaltenskodices kritisch analysieren und auswerten (neben den Richtlinien der Deutschen Forschungsgemeinschaft auch bspw. die Grundsätze der Hochschulrektorenkonferenz, des Global Research Council oder des European Code of Conduct for Research Integrity).
Ziel der Veranstaltung ist es, fachübergreifende Leitlinien und konkrete Hilfestellungen für gute wissenschaftliche Praxis abzuleiten und Plagiaten sowie wissenschaftlichem Fehlverhalten gezielt gegenzusteuern. Weitere Schwerpunkte liegen auf der Zusammenarbeit in Arbeitsgruppen sowie der Sicherung und Aufbewahrung von Primärdaten. Die Veranstaltung findet als Wechsel zwischen Kleingruppenarbeit, Arbeit an konkreten Beispielen aus der wissenschaftlichen Praxis, Peer-Feedback, Plenumsdiskussionen und Impulsreferaten statt.
Die Veranstaltung ist eines der „Highlights“ meiner Lehre außerhalb der regelmäßigen Veranstaltungen in diesem Semester: weil die Zusammenarbeit mit den Graduierten zu derartigen Fragenstellungen oft Räume für einen ziemlich spannenden interdisziplinären Austausch und Diskurs eröffnet. Und weil fachspezifisch jeweils unterschiedliche Zugänge und Verständnisse von „Forschung“ und „Wissenschaft“ in diesen Räumen präsent sein werden, über die sich ein Austausch eigentlich ebenfalls immer lohnt.
Literatur
- Deutscher Hochschulverband. (2013). Gemeinsames Positionspapier des Allgemeinen Fakultätentags (AFT), der Fakultätentage und des Deutschen Hochschulverbands (DHV) vom 21. Mai 2013. Verfügbar unter http://www.hochschulverband.de/cms1/fileadmin/redaktion/download/pdf/resolutionen/Empfehlungen21052013.pdf
- Deutsche Forschungsgemeinschaft. (2016). Merkblatt Sonderforschungsbereiche. DFG-Vordruck: 50.06 – 10/16. Verfügbar unter http://www.dfg.de/formulare/50_06/50_06_de.pdf
- Deutsche Forschungsgemeinschaft. (2016). Verfahrensleitfaden zur guten wissenschaftlichen Praxis, Bonn. Verfügbar unter http://www.dfg.de/foerderung/grundlagen_rahmenbedingungen/gwp/index.html
- Deutsche Forschungsgemeinschaft. (2013). Vorschläge zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis / Proposals for safeguarding good scientific practice. Empfehlungen der Kommission „Selbstkontrolle in der Wissenschaft“ / Recommendations of the Commission on Professional Self Regulation in Science (Ergänzte Auflage). Denkschrift / Memorandum. Weinheim: Wiley-VCH. Verfügbar unter http://onlinelibrary.wiley.com/book/10.1002/9783527679188
- Hirte, H. & Noack, U. Empfehlungen des Deutschen Juristen-Fakultätentages zur wissenschaftlichen Redlichkeit bei der Erstellung rechtswissenschaftlicher Texte, Deutscher Juristen-Fakultätentag. Verfügbar unter djft.de/medien/pdf/Beschluss%20II%2092.%20DJFT%20-%20Annex.pdf
- (2013). Empfehlung der 14. Mitgliederversammlung der HRK am 14. Mai 2013 in Nürnberg. Gute wissenschaftliche Praxis an deutschen Hochschulen. Verfügbar unter https://www.hrk.de/uploads/tx_szconvention/Empfehlung_GutewissenschaftlichePraxis_14052013_02.pdf
- (2012). Empfehlung des Präsidiums der HRK vom 23.4.2012 an die promotionsberechtigten Hochschulen. Verfügbar unter https://www.hrk.de/positionen/gesamtliste-beschluesse/position/convention/zur-qualitaetssicherung-in-promotionsverfahren
- InterAcademy Council and IAP Policy Report (2012). interacademycouncil.net/24026/GlobalReport/28257.aspx
- Robert Bosch Stiftung. (2009). Wie sichert die Wissenschaft Qualität und Vertrauen? Thesenpapier der Gäste des 4. Berliner Wissenschaftsgesprächs der Robert Bosch Stiftung. Verfügbar unter http://www.bosch-stiftung.de/content/language1/downloads/Thesenpapier_BWG_4.pdf
- Statement of Principles for Research Integrity, Global Research Council (2013). globalresearchcouncil.org
- The European Code of Conduct for Research Integrity (2010).
esf.org/publications/member-organisation-fora.html - THESIS – Interdisziplinäres Netzwerk für Promovierende und Promovierte e.V. & Deutscher Hochschulverband. (2009). Best-Practice-Papier zwischen Thesis – Interdisziplinäres Netzwerk für Promovierende und Promovierte e.V. und dem Deutschen Hochschulverband. Verfügbar unter http://www.grc.uzh.ch/coordinators/quality/best_practice_thesis_dhv_09.pdf
- Weschpfennig, A. v. (2012). Plagiate, Datenfälschung und kein Ende – Rechtliche Sanktionen wis-senschaftlichen Fehlverhaltens. Humboldt Forum Recht, 6, 84-119. Verfügbar unter http://www.humboldt-forum-recht.de/media/Druckansicht/pdf/2012-06.pdf
- Gute wissenschaftliche Praxis für das Verfassen wissenschaftlicher Qualifikationsarbeiten. Verfügbar unter http://www.zlv-info.de/fileadmin/PDF/Leitlinien/Gute_wissenschaftliche_Praxis_fuer_das_Verfassen_wissenschaftlicher_Qualifikationsarbeiten.pdf
Weitere Literatur (international):
- European Science Foundation (jetzt Science Europe): Stewards of Integrity (Survey report, PDF)
- European Code of Conduct for Research Integrity (PDF)
- DFG – Global Research Counsil (PDF)
- Guide to Publication Policies of the Nature Journals (PDF)
- OECD Global Science Forum (PDF)
- K. Gunsalus (1998): How to blow the whistle and still have a career after-wards (PDF)
- Fanelli (2009): How many Scientists Fabricate and Falsify Research? A Systematic Review and Meta-Analysis of Survey Data
- Roig: Avoiding plagiarism, self-plagiarism, and other questionable writing practices: A guide to ethical writing (PDF)
- Beisiegel (2010): Research Integrity and Publications Ethics